Aktuelle Beiträge
BGH GRUR 2018, 84 "Bestimmung der internationalen Zuständigkeit bei rechtsverletzenden Warenverkäufen über Internetseite - Parfummarken"
1. Bei der Bestimmung des für die internationale Zuständigkeit maßgeblichen schadensbegründenden Ereignisses in Fällen, in denen demselben Beklagten in verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen in Form der „Benutzung“ im Sinne von Art. I VO Nr. 207/2009 vorgeworfen werden, ist nicht auf jede einzelne Verletzungshandlung abzustellen, sondern es ist eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht.
2. Bietet ein Wirtschaftsteilnehmer (zB aus Italien) auf seiner Internetseite, die sich an Abnehmer in anderen Mitgliedstaaten (zB in Deutschland) richtet, unter Verletzung der Rechte aus einer Unionsmarke Waren zum Kauf an, die auf dem Bildschirm betrachtet und über die Internetseite bestellt werden können, ist der Ort des für die internationale Zuständigkeit maßgeblichen schadensbegründenden Ereignisses der Ort, an dem der Prozess der Veröffentlichung des Angebots durch den Wirtschaftsteilnehmer auf seiner Internetseite in Gang gesetzt worden ist (also hier Italien), und nicht der Ort, an dem die Internetseite abgerufen werden kann (also hier nicht Deutschland). Kommt der Kontakt zu Abnehmern in anderen Mitgliedstaaten (zB Deutschland) dadurch zustande, dass der Händler (zB aus Italien) Produkt- und Preislisten per E-Mail versendet, ist der Ort des schadensbegründenden Ereignisses der Ort, an dem die Versendung der E-Mail veranlasst wird (also Italien).
Anmerkung: Kommentierung zur "Parfummarken"-Entscheidung von Kur in GRUR 2018, 358 "De-facto Abschaffung der deliktischen Zuständigkeit im Unionsmarkenrecht?"
EPA G1/16 vom 18.12.2017 (nicht in AB veröff.) – Disclaimer III
Ob nun ein in den Patentanspruch aufgenommener „nicht-offenbarter Disclaimer“ als vorschriftmäßig gemäß Artikel 123(2) EPÜ anzusehen ist, ist weiter anhand der von der Großen Beschwerdekammer in G 1/03 und G 2/03 aufgestellten Kriterien zu entscheiden.
Oftmals wurde die zu „offenbarten Disclaimern“ ergangene Entscheidung G 2/10 in der jüngeren Rechtsprechung des EPA von einigen Beschwerdekammern zum Teil dahingehend (über-)interpretiert, dass kein Raum mehr für „nicht-offenbarte Disclaimer“ gemäß den Kriterien von G1/03 und G2/03 verblieb.
Die Große Beschwerdekammer stellt nun mit dieser Entscheidung G1/16 klar, dass in Bezug auf Artikel 123(2) EPÜ für „nicht-offenbarte Disclaimer“ weiterhin allein die in G1/02 und G2/03 und für „offenbarte Disclaimer“ die in G2/10 aufgestellten Kriterien zu gelten haben.
OLG Düsseldorf GRUR 2017, 1219 "Prozessuale Einbindung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands - Mobiles Kommunikationssystem"
1. Ein standardessenzielles Patent („SEP“) führt nur dann zu einer marktbeherrschenden Stellung, wenn es im Einzelfall geradezu eine Marktzutrittsvoraussetzung begründet.
Mit der bloßen Inhaberschaft von Patenten allein ist anerkanntermaßen noch keine marktbeherrschende Stellung verbunden. Erhält der Patentinhaber allerdings aufgrund hinzutretender Umstände die Möglichkeit, mittels seiner Monopolstellung wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt zu verhindern, so liegt eine marktbeherrschende Stellung vor.
Auch ein SEP als solches begründet noch keine hinreichende Bedingung für eine Marktbeherrschung. Auf die Standardessenzialität allein kann nicht einmal eine (widerlegliche) Vermutung gestützt werden, dass der SEP-Inhaber wirksamen Wettbewerb gerade deshalb verhindern kann, weil das SEP aufgrund der Standardessenzialität benutzt werden muss, um mit dem Standard kompatible Produkte erzeugen zu können (a.a.O. Rdnr. 129)
Es bedarf daher in Bezug auf jedes einzelne Patent der auf die Umstände des Einzelfalls abstellenden Beurteilung seiner wettbewerblichen Bedeutung für den nachgelagerten Produktmarkt.
Darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzungen der Marktbeherrschung ist der Lizenzersuchende.
2. Die Lizenzbereitschaftserklärung des Benutzers eines standardessenziellen Patents kann bis zur Klageerhebung nachgeholt werden.
3. Die durch den Gerichtshof der Europäischen Union für standardessenzielle, unter AEUV Art. 102 fallende Patente vorgegebenen wechselbezüglichen Pflichten/Obliegenheiten gemäß der EuGH-Entscheidung „Huawei Technologies/ZTE“ sind grundsätzlich durch das Verletzungsgericht konsekutiv festzustellen. Der Patentverletzer hat nur dann in der ihm obliegenden Art und Weise zu reagieren, wenn zuvor der SEP-Inhaber seine Pflichten erfüllt hat.
4. Das Verletzungsgericht kann die Prüfung des Angebots des SEP-Inhaber nicht auf eine „negative Evidenzkontrolle“ beschränken, vielmehr muss es tatrichterlich feststellen, ob das Angebot den FRAND-Vorgaben entspricht.
(Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen und eingelegt)
Anmerkung: einen Überblick über die Rechtsprechung der Instanzgerichte nach der EuGH-Entscheidung „Huawei Technologies/ZTE“ geben Block, GRUR 2017, 121 sowie Kellenter / Verhauwen, GRUR 2018, 761.