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BGH GRUR 2017, 914 "Verwechslungsgefahr bejaht zwischen Wortmarken für Pharmaziebezeichnungen - Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke"

1. Für die Beurteilung, ob eine Wortmarke oder deren Bestandteile die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, kommt es nicht darauf an, welche Bedeutung der Markeninhaber z.B. durch entsprechende Hinweise auf seiner Website dem Markenwort beimessen will. Maßgeblich ist vielmehr die Sicht des angesprochenen Verkehrs.

2. Eine Verwechslungsgefahr zwischen einer für „Dienstleistungen eines Apothekers, nämlich Beratungen in der Pharmazie“ eingetragenen Wortmarke „Medicon-Apotheke“ sowie einer Bildmarke (Klagemarken)

und einer beanstandeten Bezeichung „MediCo Apotheke“, unter der eine Apotheke betrieben wird, ist zu bejahen.

3. Eine Verwechslungsgefahr kann ausnahmsweise trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen wegen eines ohne Weiteres erkennbaren eindeutigen abweichenden Begriffsinhalts der Zeichen zu verneinen sein. Ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht hierfür jedoch nicht aus.

Im vorliegenden Fall ist es für die Verkehrskreise nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass die Klagemarke "Medicon" als Kombination der Teilbegriffe "Medi" für "Medizin" und "Con" für "Consulting" wahrgenommen werden könnte und die beanstandete Bezeichnung "MediCo" als Kombination der Teilbegriffe "Medi" für "Medizin" und "Co" für "Compagnie".

BGH GRUR 2017, 785 "Haftung eines im Ausland ansässigen Lieferanten - Abdichtsystem"

1. Die in PatG § 140a III 1 vorgesehenen Ansprüche auf Rückruf und auf endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen können nebeneinander geltend gemacht werden.

2. Ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verpflichtete im Ausland ansässig ist.

3. Ein im Ausland ansässiger Lieferant eines im Inland patentgeschützten Erzeugnisses, der einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer beliefert, ist nicht ohne Weiteres verpflichtet, die weitere Verwendung der gelieferten Ware durch den Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen.

4. Der Lieferant ist in der genannten Lage zu einer Überprüfung des Sachverhalts verpflichtet, wenn für ihn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es als naheliegend erscheinen lassen, dass seine Abnehmer die gelieferte Ware ins Inland weiterliefern oder dort anbieten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Lieferant von einer tatsächlich erfolgten oder konkret bevorstehenden Weiterlieferung Kenntnis erhalten hat.

5. Die pflichtwidrige und schuldhafte Ermöglichung oder Förderung einer fremden Patentverletzung (sog. "Zurechnung eines Mitverursachungsbeitrags") kann Ansprüche aus PatG §§ 139 ff nur dann begründen, wenn es zu einer Patentverletzung durch den Dritten gekommen ist oder wenn zumindest Erstbegehungsgefahr besteht (Bestätigung von BGH, GRUR 1964, 496 – Formsand II).

6. Die pflichtwidrige und schuldhafte Förderung oder Ermöglichung einer fremden Patentverletzung begründet nicht ohne Weiteres einen uneingeschränkten Anspruch auf Unterlassung von Handlungen, die für sich gesehen noch keine Patentverletzung darstellen.

7. Sofern ein Abnehmer zumindest eine Verletzungshandlung begangen hat, ist der Lieferant, der dies pflichtwidrig und schuldhaft mitverursacht hat, grundsätzlich verpflichtet, über alle Lieferungen an diesen Abnehmer Rechnung zu legen.

8. Im Allgemeinen ist gemäß ständiger Rechtsprechung (u.a. BGH, GRUR 2007, 773 "Rohrschweißverfahren" und OLG Düsseldorf, Mitt. 2010, 237 "Prepaid-Telefonkarten") das Anwenden eines patentgeschützten Verfahrens zu bejahen, wenn eine von mehreren notwendigen Maßnahmen im Inland vorgenommen wird und die im Ausland vorgenommenen weiteren Teilakte dem im Inland Handelnden zur Herbeiführung eines Verletzungserfolgs im Inland zurechenbar sind.

(vgl. auch Steininger, Steffen GRUR 2017, 875 "Verletzung in Deutschland gültiger Patente durch Handlungen im Ausland" - zugleich Besprechung von BGH „Abdichtsystem“ sowie Rektorschek, Jan Phillip Mitt. 2017, 438 "Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz - Risiko oder Chance für den gewerblichen Rechtsschutz?" zur Thematik "Grenzüberschreitende Verletzung und mehraktige Handlungen" im Zusammenhang mit internetgestützten Technologien wie nicht im Inland betriebenen Servern oder Cloud-Diensten, 3D-Druckern, multi-territorial vernetzten Fertigungsstätten o.ä.)

BGH GRUR 2017, 734 "Auch nachwirkende wettbewerbliche Eigenart eines zuvor patentgeschützten Erzeugnisses - Bodendübel"

1. Einem (vormals) patentgeschützten Erzeugnis kann auch nach Ablauf der Schutzdauer des Patents wettbewerbliche Eigenart zukommen. Dabei können nicht nur solche Merkmale eines derartigen Erzeugnisses wettbewerbliche Eigenart begründen, die von der patentierten technischen Lösung unabhängig sind. Einem Erzeugnis ist im Hinblick auf den (früheren) Patentschutz seiner Merkmale und trotz versagtem Markenschutz die wettbewerbliche Eigenart nicht von vornherein zu versagen und es dadurch schlechter zu stellen als andere technische Erzeugnisse, die nicht unter Patentschutz standen (Festhaltung BGH, GRUR 2015, 909 – Exzenterzähne).

2. Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz sieht keinen allgemeinen Nachahmungsschutz einer technisch bedingten Produktgestaltung vor, sondern dient der Absicherung eines konkreten Leistungsergebnisses vor Nachahmungen, die im Einzelfall aufgrund eines unlauteren Verhaltens des Mitbewerbers zu missbilligen sind. Damit können die formgebenden technischen Merkmale eines Erzeugnisses als Herkunftshinweis dienen, auch wenn sie zur Monopolisierung der Warenform als dreidimensionale Marke ungeeignet sind.

Der ergänzende Leistungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG bietet zwar keinen allgemeinen Nachahmungsschutz von (auch technisch bedingten) Produktgestaltungen vor, wie ihn Patente, Gebrauchsmuster, Marken oder Designs gewähren.

Vielmehr dient der ergänzende Leistungsschutz des Lauterkeitsrechts der Absicherung eines konkreten Leistungsergebnisses vor Nachahmungen, die im Einzelfall aufgrund eines unlauteren Verhaltens des Mitbewerbers zu missbilligen sind.

Dementsprechend muss stets auch einer der besonderen Unlauterkeitstatbestände erfüllt sein, nämlich eine vermeidbare Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3a UWG), eine unangemessene Ausnutzung bzw. Beeinträchtigung der Produktwertschätzung (§ 4 Nr. 3b UWG) oder eine unredliche Erlangung der für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen (§ 4 Nr. 3c UWG).