Aktuelle Beiträge
BGH GRUR 2015, 972 "Unabhängigkeit des Verletzungsgerichts bei Auslegung des Klagepatents - Kreuzgestänge"
1. Das Verletzungsgericht hat das Klagepatent selbstständig auszulegen und ist weder rechtlich noch tatsächlich an die Auslegung durch den Bundesgerichtshof in einem das Klagepatent betreffenden Patentnichtigkeitsverfahren gebunden.
2. Werden in der Beschreibung eines Patents mehrere Ausführungsbeispiele als erfindungsgemäß vorgestellt, sind die im Patentanspruch verwendeten Begriffe im Zweifel so zu verstehen, dass sämtliche Beispiele zu ihrer Ausfüllung herangezogen werden können. Nur wenn und soweit sich die Lehre des Patentanspruchs mit der Beschreibung und den Zeichnungen nicht in Einklang bringen lässt und ein unauflösbarer Widerspruch verbleibt, dürfen diejenigen Bestandteile der Beschreibung, die im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden haben, nicht zur Bestimmung des Gegenstands des Patents herangezogen werden.
BPatG GRUR 2015, 900 "Kein Freihaltebedürfnis für bekannte Ortsangabe aus Kinderbuch - Lönneberga"
1. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass sich in dem kleinen schwedischen Ort Lönneberga Unternehmen ansiedeln könnten, führt nicht zu einem Schutzhindernis nach 8 Nr. II2.
2. Das deutsche Publikum wird Lönneberga nicht als realen Ortsnamen verstehen, da es ihnen nur aus Büchern bekannt ist, die sonst Fantasienamen wie Bullerbyn enthalten.
3. Die Geschichten von Astrid Lindgren verleihen den Ortsnamen kein Image, das Waren beschreibt.
BGH GRUR 2015, 875 "Fehlerkorrektur des Anspruchswortlauts - Rotorelemente"
1. Der Prüfung einer unzulässigen Erweiterung muss die Ermittlung des Sinngehalts des hierauf zu überprüfenden Patentanspruchs vorausgehen.
2. Bei der Ermittlung des Sinngehalts eines Patentanspruchs ist auch ein für sich genommen eindeutiger Wortlaut nicht ausschlaggebend, wenn die Auslegung des Anspruchs unter Heranziehung der Beschreibung und der weiteren Patentansprüche ergibt, dass zwei im Patentanspruch verwendete Begriffe gegeneinander auszutauschen sind.
Dies bedeutet, dass der Wortlaut eines Patentanpruchs bei der Schutzbereichsbestimmung qua Auslegung in Zusammenschau mit der Beschreibung und den Zeichnungen ggf. zur Korrektur sogar geändert und ausnahmsweise in sein Gegenteil verkehrt werden kann, wenn der Patentanspruch z.B. fehlerhaft formuliert wurde oder eine offensichtliche Vertauschung von Begriffen vorliegt, die durch anderweitige ganzheitliche Auslegung der Patentunterlagen nicht behebbar ist.